Selbst die Herrin vom See, die das Gewand eines Christuspriesters hasste
wie eine giftige Schlange - und das aus gutem Grund -, tadelte mich einmal,
weil ich schlecht über den Christengott gesprochen hatte.
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Die ersten Erfahrungen, an die ich mich erinnern kann, waren die mit meinem Gottwesen.
Die ersten Lebensjahre wuchs ich in einer streng christlich orientierten Familie auf. Gott wurde mir beschrieben als eine männliche Person (Vater), die hoch im Himmel über mir wohnte. So weit von uns Menschen entfernt, dass Lebende ihn niemals zu Gesicht bekommen konnten. Wenn wir starben, mussten wir unsere Angehörigen und Freunde verlassen, um mit ihm im fernen Himmel zu wohnen. Dieser Gott sah auf jeden einzelnen Menschen herunter und beobachtete ihn genau. Böse Menschen wurden von ihm bestraft. Wenn ein Gewitter aufkam, wurde mir gesagt: "Der liebe Gott schimpft mit Dir!"
Wieso wurde von einem "lieben" Gott gesprochen, wo er doch die Menschen bestrafte? Wieso holte dieser Gott so eigensüchtig Menschen zu sich, die auf der Erde von ihren Partnern und ihren Kindern geliebt und vermisst wurden? Er regierte über das Himmelsreich, also waren die Verstorbenen seine Untertanen. War ihm Macht wichtiger als das Leid, das er den Menschen zufügte, die alleine auf der Erde zurückblieben? Wieso überhaupt konnte er uns Menschen sehen, wo er doch so weit weg von uns war, dass wir selber ihn nicht mehr wahrnehmen konnten?
Mein Gottwesen war anders. Wohl hörte ich seine Worte, wenn es gewitterte, und ich spürte eine Kraft, die stärker war als jede Kraft, die ich sonst kannte. Ich wusste, es wäre töricht, sich mit dieser Kraft messen zu wollen. Ich wusste aber auch, wenn ich diese Kraft akzeptierte, würde mir niemals etwas dadurch geschehen. Ich konnte den Worten meines Gottwesens nichts Böses entnehmen. Ich liebte Gewitter!
Ich sah die tausend Gesichter meines Gottwesens, wenn ich abends von meinem Bett aus die Wolken beobachtete. Ich sah es als Schaf, als Kuh, als Drache, als Baum und Berg und manchmal auch als eine menschenähnliche Gestalt. Immer wirkte es ehrerbietig, niemals jedoch böse.
So mächtig es als Gewitter auf mich wirkte, so ehrerbietig als Wolke, so sanft strich es mir manchmal als Wind durch mein Gesicht. Ein andermal dagegen war es übermütig, ein Kind wie ich selber und es blies mit Blättern gegen mich, so dass ich mich anstrengen musste, um voranzukommen. Mein Gottwesen war mächtig, aber es war keine strafende Gottheit und es war ein Wesen, das ich sehen, hören und spüren konnte.
Wenn ich in meiner ungestümen Neugier wieder einmal etwas angestellt hatte und Bestrafung durch die Erwachsenen fürchtete, dann wurde es mir ganz selbstverständlich, mein Gottwesen um Hilfe zu bitten. Und wie ein guter Kumpel half es mir immer wieder aus der Patsche.
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