Der Magier

Bitte um Antwort

Je länger ich meiner Meditationsgruppe angehörte, desto natürlicher wurde es für mich, die Orte für meine „Reisen“ auszuwählen. Meine Meditationen führten mich in eine andere Welt. Ich wanderte über grüne Wiesen, kletterte auf Felsen und ruhte im Schatten von Bäumen. Ich erfrischte mich in klaren Seen oder suchte Ruhe in heiligen Steinkreisen. Ich traf auf sprechende Tiere, alte Weise und seltsame Gestalten, die früher Angst in mir auslösten, mir aber nun Mut und Einsicht für mein Alltagsleben vermittelten. Manchmal flog ich auf einem freundlichen Drachen, den ich kennengelernt hatte, und sah die Welt von oben. Ich genoss den Wind, der mich umspielte, und erkannte, wie klein und unwichtig meine Alltagssorgen waren.

Um in die Rolle des Raben zu schlüpfen und selber fliegen zu können, musste ich mich schon zu Beginn der Meditation auf meine Insel konzentrieren. Nur dort konnte ich fliegen. Doch außer meinem Rabenfreund gab es dort keine anderen Lebewesen, und ich wusste immer noch nicht, warum.

Durch meine Meditationserfahrungen wurde mir klar, dass ich gezielt Fragen an die andere Welt stellen musste, um Antworten zu erhalten.

Während meiner nächsten Meditation wandte ich mich direkt an die Anderswelt. Ich bat um Antwort.

Die Vergangenheit

Plötzlich befand ich mich als Mensch auf einem Hügel. Um mich herum war eine dünn besiedelte grüne Landschaft. An meiner Seite waren zwei Männer in weiten Gewändern, Druiden wie ich.

„Die Christen haben zu viel Einfluss gewonnen. Die Menschen fragen uns nicht mehr. Unsere Priester predigen die Worte des Christengottes, und selbst die Götter haben uns verlassen. Sie sind zornig, weil wir nichts unternommen haben. Wir müssen handeln!“, sagte ich voller Hass und blickte auf eine mächtige Kirche auf dem benachbarten Hügel.

Meine Brüder versuchten mich zu beruhigen. „Die Vergangenheit ist vorbei. Unsere Zukunft liegt im Jetzt, und die Zeiten haben sich geändert. Auch du musst dich anpassen.“

Ich wollte nicht tatenlos zusehen, wie meine Macht schwand. Ich war „Der Rabe“, der mächtigste Magier dieser Gegend, und ich würde die Christen vernichten, wenn es sein musste, auch allein!

Wieder stand ich auf dem Hügel, alleine jetzt. Ich sah rüber zur Kirche. All meine Gedanken richtete ich auf Zerstörung. Immer stärker konzentrierte ich mich. Schweiß trat mir auf die Stirn. Gleich würde es vorbei sein. Nur noch einen Augenblick.

Mit einmal hatte ich das Gefühl, meine Gedanken griffen ins Leere. Ich spürte keinen Widerstand mehr. Und fast im selben Augenblick merkte ich auch in mir keine Kraft mehr. Ich sank zu Boden und es wurde dunkel um mich.

Die Gegenwart

Als ich erwachte, fehlte mir jegliches Zeitgefühl, aber ich wusste sofort, was ich getan hatte. Voller Ungeduld öffnete ich die Augen und sah die Ruine einer mächtigen Kirche vor mir. Einzig dicken steinernen Mauern waren heil geblieben. Eine tiefe Befriedigung erfüllte mich. Ich hatte erreicht, was ich wollte. Zufrieden trippelte ich zwischen umgestürzten Grabsteinen umher. Der Himmel über mir war trist und grau. Dicke Tropfen fielen. Mochte der Christengott weinen, soviel er wollte. Er hatte verloren!

… es war ungemütlich und nass. Dick aufgeplustert watschelte ich durch den braunen Morast. Ich war angeekelt, als ich bemerkte, wie die klebrige Masse mein glänzendes Federkleid befleckte. Mit Ekel schüttelte ich mein schwarzes Gefieder …

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